Berliner zu 80 Jahre Kriegsende: „Es tut mir sehr weh, dass wir keine Russen hier begrüßen können“

Nachdenkliche Töne beim Weltkriegsgedenken in Tempelhof: „Es tut mir sehr weh, dass wir keine Vertreter der Sowjetunion oder Russlands hier begrüßen konnten.“ Das sagte Joachim Dillinger, Vorsitzender der Hausgemeinschaft des Hauses am Schulenburgring 2 in Tempelhof am Freitagvormittag.
Mit der Nichteinladung russischer Vertreter folgten die Veranstalter einer Handlungsempfehlung der Senatskanzlei. Diese hatte in Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ihre Einladungspolitik zum Weltkriegsgedenken aktualisiert. Möglichen Konflikten um ein legitimes Gedenken sollte damit die Spitze genommen werden.
Um eine Ausladung Russlands – und Belarus’ – nicht zu einseitig und konfrontativ erscheinen zu lassen, lädt die Senatskanzlei zu den Veranstaltungen im Rahmen der Gedenkwoche um den 8. Mai überhaupt keine offiziellen Vertreter anderer Staaten ein. Ein Berliner Weg, wenn man so will.
Doch was soll geschehen, wenn dennoch unerwünschte Personen zu den meistens frei zugänglichen Veranstaltungen erscheinen? „Der Senat erwartet, dass offizielle Vertreter von Russland und Belarus an keinen Gedenkformaten teilnehmen, zu denen sie nicht eingeladen wurden. Wir gehen davon aus, dass offizielle Vertreter anderer Staaten die Entscheidung des Senats respektieren und sich daher die Frage des Hausrechts nicht stellen wird“, heißt es in einer Mitteilung.
Berliner will beim Kriegsgedenken keine Vertreter anderer StaatenIn Tempelhof gab sich am Freitag kein Teilnehmer als offizieller Vertreter eines anderen Staates zu erkennen. Historisch betrachtet wäre auch allenfalls ein bilaterales Gedenken angebracht: eines zwischen deutschen und russischen Repräsentanten, schließlich versteht sich Russland als Fortsetzerstaat der Sowjetunion.
In einer Hochparterrewohnung des Hauses in der Nähe des ehemaligen Flughafens Tempelhof hatte die sowjetische Militärführung für wenige Wochen ihre Berliner Kommandozentrale untergebracht. Am 2. Mai 1945 unterzeichneten Vertreter der Wehrmacht dort den Kapitulationsbefehl für die in Berlin kämpfenden Truppen. Sechs Tage später kam es zur Kapitulation des gesamten Deutschen Reiches.
80 Jahre Kriegsende: In Berlin endete der Krieg sechs Tage früherAn der Gedenkfeier und Kranzniederlegung am Freitag nahm neben dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auch dessen Vorvorgänger Michael Müller teil. Die Familie des späteren SPD-Politikers zog in das Haus ein, als Müller zehn Jahre alt war.
Etwa zu dieser Zeit entstand die Idee, die Geschichte des historischen Ortes und des Ereignisses vor mittlerweile 80 Jahren zu erforschen und zu würdigen. Inzwischen wird der Jahrestag regelmäßig begangen, in der Vergangenheit vielfach mit sowjetischer beziehungsweise russischer Beteiligung. Sowjetische Vertreter und Zeitzeugen waren immer wieder im Haus in Tempelhof zu Gast, Mitglieder der Hausgemeinschaft zu Gegenbesuchen in Moskau.
Hausgemeinschaftssprecher Dillinger beendete seine Rede mit den Worten: „Wir hoffen, dass bald Zeiten eintreten, in denen sich diese Freundschaft wieder entwickeln kann.“ In den letzten Tagen des Krieges fielen in der Schlacht um Berlin auf deutscher und sowjetischer Seite zwischen dem 16. April und dem 2. Mai insgesamt rund 173.000 Soldaten, weitere 480.000 Soldaten wurden verwundet.
Berliner-zeitung